jeudi 10 octobre 2013

Geschichte des Nobelpreises, the German version looking for a publisher


Here is a translation into German of the introduction of my book Histoire du prix Nobel that was published in France in September 2012. François Bourin Editeur, the publisher, and I have not given up the hope to see the whole book translated and published in German. May this introduction help to achieve that goal.




EINLEITUNG
Es ist schon spät. Nachmittags in Norwegen lässt die winterliche Düsternis die Fenster in immer undurchsichtigerem grau-blau erscheinen. In der Bibliothek des Nobel-Instituts klappt einer der regelmässigen Besucher sein Buch zu, ein anderer stellt eine Zeitschrift an ihren Platz im Regal zurück und schlüpft in seinen Parka. Man grüsst einander nicht, aber man weiss, die Eifrigsten zumindest wissen es, dass man einander morgens wieder sehen wird, vielleicht schon um 8 Uhr, bei Öffnung der Säle. Von nebenan, einem kleineren Raum, hört man noch den Chefbibliothekar und seine Stellvertreterin rumoren. Bald werden sie das Licht löschen und die schwere Holztür hinter sich verriegeln.



Was, wenn ich diesmal nicht ginge?  Mehr als nur einmal war mir der Gedanke gekommen, mich in einer Nische zu verstecken und einsperren zu lassen. Sicher, es ist nicht sehr vernünftig, die Nacht allein im norwegischen Nobel-Institut zu verbringen. Darüber hinaus gibt es sicher eine Alarmanlage. Bereits in der Eingangshalle ist eine Kamera zu sehen. Und doch… Das Komitee, das alljährlich den weltweit berühmten Friedensnobelpreis vergibt, tagt in ebendiesem Gebäude, nur eine Etage höher. Die Mehrzahl der Unterlagen, die zur Auswahl der Preisträger führen, befindet sich hier, irgendwo im Archiv. Eine Goldmine für Historiker und Forscher, die die Wahl der fünf nachvollziehen und verstehen wollen, wie es zu welchem Beschluss kam.
Bei meinen ersten Besuchen der Bibliothek habe ich zufällig herausgefunden, dass der Schlüssel, den man vom Personal für die Toilette ausgehändigt bekommt, auch eine Tür gleich daneben öffnet. Nach einem nichtssagenden Vorzimmer gelangt man in einen weitaus grösseren, reihenweise mit Bücherregalen und Metallschränken gefüllten Raum. Hier lagern im Halbdunkel schiere Aktenberge, deren Inhalt zu beurteilen endlose Zeit beanspruchen würde. Zurück an meinem Arbeitsplatz fiel es schwer, sich nicht Träumereien über die Schätze an diesem verschwiegenen Ort hinzugeben. Sicher, ein guter Teil davon ist Forschern und Journalisten zugänglich, sofern sie einen mit einem konkreten Projekt begründeten Antrag stellen. Aber wie ist es mit den vertraulichen Akten, die vor indiskreten Blicken geschützt in tiefen Schränken schlummern?
Denn das System, auf dem alle Nobelpreise beruhen – für Frieden, Literatur, Medizin, Physik und Chemie, sowie seit 1969 auch Wirtschaftswissenschaften – ist zwar in seiner Funktionsweise und seinen Regeln transparent. Aber wenn es um die Entscheidungsfindung geht, ist davon keine Rede mehr. Aus welchen Gründen erwählen die für die Verleihung  der renommiertesten der Preise zuständigen Gremien diesen oder jenen Kandidaten, und warum gerade zu diesem Zeitpunkt und nicht jenem? Welche Bedeutung kommt bei diesem Prozess dem subjektiv-menschlichen Faktor zu? Können bei der Auswahl der Ausgezeichneten ideologische Vorlieben, persönliche Feindschaften, freundschaftliche Beziehungen, können prinzipielle Vorbehalte gegenüber Vertretern der einen oder anderen Nation einfach ausgeklammert werden? Nobelpreise werden oft als das Nonplusultra der schriftstellerischen Grösse, der wissenschaftlichen Forschung, als die Krönung eines bedeutenden Engagements dargestellt, doch kann ihre Vergebung nicht objektiv sein. Dieser Aspekt aber, den die folgenden Seiten zu erhellen versuchen, ist nicht dazu bestimmt, ausserhalb der direkt betroffenen Kreise bekannt zu werden. Im Übrigen gibt es keine Protokolle der Beratungen, die in den verschiedenen für die Auszeichnungen zuständigen Komitees stattfinden.
Darüber hinaus haben  handverlesene Forscher und Journalisten erst fünfzig Jahre nach Vergabe der Preise Zugang zu einigen ausgewählten vertraulichen Dokumenten. Diese historische Puffer-Regelung wurde 1973 von der Stiftung eingeführt, die in Stockholm über das Nobel-Imperium wacht. Ein halbes Jahrhundert ist eine lange Zeit. So wird man bis 2062 warten müssen, um zu erfahren, wer 2012 in den verschiedenen Sparten vorgeschlagen, aber nicht auserkoren wurde; von wem die Vorschläge kamen; mit welchen Argumenten die Gremien zu ihren Beschlüssen kamen, usw. Dann aber, in fünfzig Jahren, werden diese Einzelheiten jeder Aktualität beraubt sein und keinen Anlass mehr zu Kritik geben, so sie nicht von einigen tüftlerischen Forschern kommt. Man sollte sich allerdings nicht beklagen: vor 1973 kam es überhaupt nicht infrage, derartig den Deckel vom Nobel-Topf zu lüften. Bis dahin sollte alles im Verborgenen schmoren, und zwar für immer. So viel zur verklärten Vorstellung eines offenen und übertransparenten Skandinavien.




Dass das Handeln dieses Küchenkabinetts jahrzehntelang vor Einblicken von aussen geschützt wurde ist trotzdem aus Sicht der Nobel-Stiftung logisch und verständlich.  Das System der Auswahl beruht auf der Meinung von aussenstehenden Experten, die von den verschiedenen Gremien konsultiert werden. Ihre Berichte zu früh zu veröffentlichen könnte der Karriere ihrer Urheber, insbesondere auf wissenschaftlichen Gebieten, Schaden zufügen. Diese Diskretion hat darüber hinaus zum Ruf der seit 1901 verliehenen  Auszeichnungen für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Frieden (sowie seit 1969 für Wirtschaftswissenschaften) beigetragen. Welcher andere Preis wird mit dieser Inbrunst von Verlagen und Schriftstellern, von der und von der politischen und diplomatischen Gemeinschaft erwartet? Welcher andere vermag es, dank seines Medienechos dem Publikum bislang völlig unbekannte Namen nahezubringen? Nobel ist zu einem Markennamen geworden, einem Synonym für hervorragende Qualität und dauerhaften Ruhm. Für das Hervorragende, im Fall des Friedenspreises sogar das Gute schlechthin, wobei letzterer oft eine sehr westliche Auffassung der Juroren widerspiegelt, die dann kaum mehr den Anliegen des Stifters entspricht und somit den Unmut der Puristen hervorruft.
Die (mit Ausnahme des in Norwegen gekürten Friedenspreises) in Schweden  verliehenen Auszeichnungen wollen in jeder der fünf Sparten die ehren. Oder zumindest was dafür gehalten wird. Denn die Wahl einiger Preisträger war, wie die folgenden Seiten zeigen, nicht unbedingt weitblickend. Andererseits wurden verschiedene Persönlichkeiten verschmäht, obwohl sie durchaus Anrecht auf den Preis hätten geltend machen können. Das bekannteste Beispiel dafür ist Mahatma Gandhi, der für den Friedensnobelpreis wurde.
Menschliche, politische und geostrategische Faktoren kommen wie bereits gesagt ins Spiel. Insbesondere im Fall des für den Friedensnobelpreis zuständigen Komitees. Es besteht nur aus fünf Personen, alles Staatsbürger Norwegens, eines reichen Landes, das in einer freundlich provinziellen Atmosphäre und fern der Sorgen unseres Erdballs selbst zu Europa Distanz hält (wenn nicht gerade, im gewaltigen Ausnahmefall, ein einheimischer und selbsternannter wie Anders Breivik am 22. Juli 2011 im Namen des Kampfs gegen Multi-Kulti zum Terror greift).
Diese fünf  des Wahlgremiums werden nicht immer aufgrund ihrer Kompetenzen in Sachen Aussenpolitik, internationale Beziehungen oder Sicherheit und Abrüstung berufen. Eigentlich immer weniger. Und wenn dann ihr Entscheid fragwürdige Preisträger auszeichnet, ist die Polemik umso lautstarker. Der letzte Fall dieser Art, die Verleihung des Friedenspreises 2009 an Barack Obama, führte zu einer kleinen Legitimitätskrise des Komitees und rief eine Debatte über seine Zusammensetzung hervor. Auch seine Unabhängigkeit kann infrage gestellt warden, so durch China, als der Dissident Liu Xiaobo 2010 den Preis bekam und den Zorn Pekings hervorrief. Man muss allerdings nicht in der Haut der chinesischen Regierung stecken, um sich zu fragen, ob diese Handvoll norwegischer Ex-Politiker am besten in der Lage ist, eine weltweit berühmte Ehrung zu vergeben.
Auch der Nobelpreis für Literatur spiegelt manchmal auf allzu klare Weise die Neigungen jener Mitglieder der schwedischen Akademie wieder, die ihn verleihen. Er ist wohl der subjektivste der sechs Preise des Nobel-Systems, wie es selbst einige Akademiemitglieder einräumten, die ich in Stockholm traf. Aber die lange Liste der Preisgekrönten – ebenso wie jene der nicht Auserwählten – entspricht auch der Mentalität und den verschiedenen intellektuellen Strömungen, die in Skandinavien mehr oder minder im Einklang mit den Moden in den anderen Ländern Europa vorgeherrscht haben. Die langsame Öffnung in Richtung südamerikanischer, asiatischer und afrikanischer Literatur beginnt erst Ende der 60er Jahre. Ganz zu schweigen von dem Platz, den die schwedischen den Frauen zubilligen: Fünfundvierzig Jahre lang, zwischen 1946 und 1991, scheint nur eine Literatin ihrer Preise würdig gewesen zu sein. Auch hier bekommt die Idee Skandinaviens als Vorreiter der Geschlechtergleichheit einige Kratzer ab.




Letztlich bleibt allerdings die Bilanz der Institution Nobel ausserordentlich. Und erfordert, um sie zu verstehen, eine Beschreibung ihrer Anfänge sowie ihres Gründers, des Schweden Alfred Nobel, Erfinder des Dynamits. Was treibt ihn zu Beginn der dazu an, diese Auszeichnungen ausschreiben zu wollen? Die Bekanntgabe seiner testamentarischen Verfügungen hatte einst in Schweden und Norwegen zwiespältige Reaktionen hervorgerufen. Heute können die beiden Länder sich dazu nur beglückwünschen, ruft doch die jährliche Preisverteilung ein gewichtiges und im grossen und ganzen positives Medienecho hervor. Dies betrifft insbesondere die Zeremonien der Preisübergabe am 10. Dezember, Nobels Todestag, in Gegenwart der königlichen Familien.  Das von ihm für die geehrten Personen und die Finanzierung der Verwaltung der Nobel-Maschinerie hinterlassene Vermögen ist ebenfalls Gegenstand von Neugierde. Wie wird es in dieser Zeit der Wirtschaftskrise verwaltet? Ist das in Stockholm und Oslo vermehrt praktizierte Zurückgreifen auf Sponsoren ein Risiko für die Unabhängigkeit der Preise und des , ein Ausdruck, der in sich selbst die Entwicklung in Richtung Kommerzialisierung impliziert? Dies sind einige der Fragen, die in diesem Buch angeschnitten werden sollen. Ebenso wie die zum Teil sehr engen Beziehungen zwischen den Juroren des Nobelpreis für Medizin und den Giganten der Pharma-Industrie.

Letztlich wäre jede Beschreibung der Mechanismen und der Kulissen des Nobel-Betriebs unvollständig, wenn sie nicht dem Menschlichen-Allzumenschlichen Rechnung trüge: somit geht es auch um die Bestrebungen unzähliger bekannter Persönlichkeiten, für sich selbst diese Auszeichnung zu ergattern. Er gilt als Gipfel des beruflichen Erfolgs und als weltweite Anerkennung, mit der nicht selten erhebliche finanzielle Vorteile einhergehen, Grund genug, um die Begehrlichkeit all jener hervorzurufen, die um Anerkennung, Ruhm und  Geld buhlen. Bereits zu Beginn waren die Nobelpreise Anlass zu Kampagnen, um einzelne Kandidaten zu unterstützen. Je grösser ihr Prestige, desto heftiger der Lobbyismus: vom einfachen Höflichkeitsbesuch über die Einschaltung mehr oder minder einflussreicher Mittelsmänner und bis hin zu Geschenken, die Palette der Versuche der Einflussnahme ist breit. Der skandinavische Geist, so zumindest wird in Oslo und Stockholm versichert, ist mit diesen Vorgehensweisen unvereinbar. Was wiederum keineswegs bedeutet, wir werden es sehen, dass die Nobel-Komitees in ihren Entscheidungen unbeeinflusst bleiben.

A. J.




Histoire du prix Nobel
Antoine Jacob 
François Bourin Editeur, Paris, 2012, 240 pages 
http://www.bourin-editeur.fr/fr/books/histoire-du-prix-nobel 



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